Es war in der Dämmerung jener stillen Stunde, in der das Licht des Tages von den Schatten des Abends verschlungen wird, als er sie bemerkte: Eine kleine, unscheinbare Motte, die mit flatternden Flügeln zwischen der Lampe und der kahlen Wand hin und her tanzte. Ihr Flug war unruhig, als ob sie verzweifelt versuchte, sich in eine Richtung zu retten, die es nicht gab.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie – oder war es nur der leise Hauch seiner eigenen Gedanken, der diese Worte formte? – „Es tut mir leid, dass allein mein Anblick Ekel in dir hervorruft. Ich wusste nicht, dass mein Dasein dir solche Abscheu bereitet. Doch ist es wirklich Grund genug, mein Leben zu beenden?“
Er hielt inne, die gefaltete Zeitung in der Hand, bereit, mit einem gezielten Schlag das Summen zu beenden. Doch ihre Worte, oder vielmehr die Vorstellung von ihnen, brannten sich in seinem Geist ein. Warum ist es so? Warum erheben wir uns über das Leben der einen Kreatur, während wir das der anderen mit ehrfürchtigem Staunen bewahren?
Wäre sie ein Schmetterling gewesen – ein Wesen von strahlendem Blau, schimmerndem Gold oder tiefem Purpur – hätte er vielleicht innegehalten, vielleicht bewundert, vielleicht die Schönheit dieses Lebens wahrgenommen. Aber eine Motte? Ihr Flügelkleid war farblos, grau und braun wie der Staub der vergessenen Ecken, kaum wahrnehmbar in seiner schlichten Bescheidenheit. So unscheinbar, so einfach, dass sie keine Beachtung fand – und doch war sie lebendig.
Du bist hässlich, dachte er, ohne es auszusprechen. Das ist dein Vergehen.
Doch was ist Schönheit, wenn nicht ein zufälliges Privileg, ein Geschenk der Natur, das so willkürlich verteilt wird wie der Regen auf ein Feld? Die Motte hatte keinen Anteil an dieser Lotterie, keinen Anspruch auf schillernde Flügel oder zarte Formen. Stattdessen wurde ihr Dasein als Plage gezeichnet, als Last für das Auge des Betrachters.
Er hob die Zeitung und zögerte. War es wirklich sein Recht, ein Leben zu nehmen, nur weil es ihm missfiel? Ist er der Richter über Schönheit, der Henker des Unvollkommenen?
Doch dann – ein schneller Schlag, fast automatisch – und sie lag still am Boden. Kein Flügel zuckte mehr, kein Flüstern war zu hören. Nur die Zeitung, die noch in seiner Hand vibrierte, schien die Tat zu bezeugen.
Leonie Haidinger
4C // Dezember 2024 // Unterstufe// Fiktion